öffentlicher Vortrag
Edmund Koch, Leiter des Heimatmuseums Niemes und Prachatitz in Ingolstadt, referierte im Schützenheim über das Thema „Geschichte und Geschichten aus dem Böhmerwald“.
Der Referent spannte einen weiten Bogen
- zur Geographie
- zur Geologie
- zur Geschichte
- zur Wirtschaft
- zum Verkehr
- zur Kultur
- zur Natur
des Böhmerwaldes
Weiter zeigte er Geschichten von Poeten auf und trug Lieder und Mundartgedichte aus dem Böhmerwald vor.
30 Gäste lauschten dem illustrierten Vortrag.
In der Pause wurde Kaffee und Kuchen angeboten.
zur Geographie und Geologie:
Der Böhmerwald ist eine 120 km lange und bis zu 50 km breite Mittelgebirgskette entlang der deutsch-tschechisch-österreichischen Grenze und besteht vornehmlich aus Granit und Gneis. Er ist eine zentrale Region in Europa.
Der Böhmerwald bildet die Wasserscheide des Donau- (zum Schwarzen Meer) und des Elbe-Moldaueinzugsgebietes (zur Nordsee).
Der Böhmerwald ist ein Gebirge und schließt den deutschen Anteil (Bayerischer Wald) mit ein.
zur Geschichte:
Den ersten überlieferten deutschen Namen „Nordwald“ hat das Waldgebirge von der bayerischen Seite aus erhalten: als undurchdringlicher düsterer Wald im Nordosten des Herzogtums Bayern. Erst im Jahre 1147 ist der Name „Behaimer walt“ und in 1204 der Name „Boemerwalt“ urkundlich erwähnt.
Die erste Kolonisierung des Urwaldes begann um das Jahr 1000 durch die Klöster in Niederbayern und der Oberpfalz. Damit setzte sich um 1.000 n. Chr. das Christentum in Böhmen fest.
Im 12. bis zum 14. Jahrhundert wurde begonnen die waldreichen Randgebiete Böhmens zu roden und zu besiedeln. Um 1256 haben bayerische Kolonisten aus der Donaugegend um Straubing, Deggendorf und Vilshofen dort eine neue Heimat gefunden.
Wichtig für die Erschließung des Böhmerwaldes waren die Verbindungswege (Handelswege) zwischen Bayern, Österreich und Böhmen – z. B. der „Goldene Steig“.
Die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung nach 1945 führte zu einer einschneidenden Veränderung der Siedlungsstrukturen – die Einwohnerzahl des Böhmerwaldes schrumpfte von ca. 250.000 auf ca. 30.000.
Durch Vertreibung – unter Androhung und Anwendung von Gewalt zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen – mussten etwa drei Millionen Deutsche die Tschechoslowakei in den Jahren 1945 und 1946 verlassen.
Ab 1950 waren alle Grenzübergänge von der CSSR in die BRD gesperrt – „Eiserne Vorhang“. Erst in 1990 – nach dem Ende des kalten Krieges“ wurden die Sperranlagen wieder entfernt und die Visumpflicht aufgehoben.
zur Wirtschaft:
Die Landwirtschaft bot den Leuten eine Selbstversorgung; deshalb erfolgte die Industrialisierung des Böhmerwaldes auf Basis des Rohstoffes Holz sehr langsam.
Erst im 14. Jahrhundert bildeten sich die ersten Glashütten und um 1700 – mit der Einführung der Kristallglas-Herstellung – erlebte die böhmische Glaserzeugung einen rasanten Aufschwung.
Auch der Bergbau wurde betrieben. Die Edelmetallvorkommen (Silber) im Böhmerwald waren jedoch bereits im 17. Jahrhundert erschöpft. Was blieb war die Graphit-Förderung.
Die Holzwirtschaft wurde ab Anfang des 18. Jahrhunderts ausgebaut und Böhmerwaldbäume wurden auf der Moldau und Elbe bis nach Hamburg gebracht.
Es entstanden auch Papierfabriken.
zum Verkehr:
Da der gesamte böhmische Kessel und das mährische Gebiet keine natürlichen Salzvorkommen aufweisen, war man auf bayerische oder österreichische Importe angewiesen.
Das Salz wurde auf der Traun, Salzach und Inn nach Passau verschifft und dort auf Saumpferde umgeladen, die in Karawanen ins „Böhmische“ zogen (manchmal bis zu 1.000 Pferde an einem Tag).
Dafür wurden Saumpfade (schmale Salz-Steige) durch den Wald geschlagen, die meistens in Passau beginnen, nordwärts führen und in Prachatitz, Winterberg und Bergreichenstein enden. Dort wurde das Salz in städtische oder königliche Warenhäuser eingelagert und von dort aus weiterverkauft. Das waren die „Goldenen Steige“ und lange Zeit die einzigen Verkehrswege.
Durch das Handelsmonopol war Prachatitz im Mittelalter eine der wohlhabendsten Städte Mitteleuropas und gleicht architektonisch norditalienischen Städten.
Vereinzelter Straßenbau in und durch den Wald begann erst im 17. Jahrhundert, nach dem Dreißigjährigen Krieg. Der Eisenbahnbau setzte erst Mitte des 19. Jahrhunderts ein.
zur Kultur:
Bedeutende Künstler aus der Bildhauerei, der Malerei und der Musik stammen aus dem Böhmerwald; ebenso aus dem Bereich der Literatur.
Die Krumauer Madonna definiert den Stil der „schönen Madonnen“.
Egon Schiele hat viele seiner Bilder im Hause seiner Mutter in Krumau gemalt.
Musikalisch hat der tschechische Komponist Bedrich Smetana dem Böhmerwald mit seiner sinfonischen Dichtung „Die Moldau“ ein ewiges Denkmal gesetzt.
Aus der reichhaltigen Sammlung der Böhmerwaldlieder ist das Lied „Tief drin im Böhmerwald“ (gedichtet und komponiert von dem Glasbläser und Glasmaler Andreas Hartauer) eines der bekanntesten Lieder des Heimwehs und der Heimatverbundenheit.
zur Natur:
Die Drei-Länder-Region Böhmerwald hat sich 1994 zu einer grenzüberschreitenden gemeinsamen Europaregion Euregio Bayrischer Wald – Böhmerwald zusammengeschlossen. Das Gebiet umfasst in den drei Ländern eine Fläche von ca. 16.000 km², auf der etwa 1,3 Millionen Einwohner leben.
Große Teile des tschechischen Teiles wurden zum Nationalpark Šumava erklärt.
Auf deutscher Seite ist dies der Nationalpark Bayerischer Wald.
Im Böhmerwald leben heute wieder Luchse und Wölfe, die keine politischen Grenzen kennen.
grenzüberschreitendes Engagement:
Der Vater des Referenten stammt aus Ottau – eine der ältesten Siedlungen im Böhmerwald. Der jetzige spätgotische Kirchenbau in Ottau mit Chor und Langhaus wurde gegen 1510 auf alten Resten einer romanischen Kapelle aus dem 11. Jahrhundert errichtet und weist eine barocke Kircheneinrichtung auf. Die Kirche St Johannes Enthauptung in Ottau zählt neben der Pfarrkirche St. Veit in Krumau zu den bedeutendsten Sakralbauten Südböhmens.
Der deutsche „Förderkreis Kirche St. Johannes Enthauptung Ottau“, verfolgt bereits seit dem Jahre 2003 die Renovierung der etwa 500 Jahre alten Kirche von Ottau (= Zátoň, Pfarrgemeinde im Böhmerwald, nähe Krumau, in der Tschechischen Republik). Zuletzt wurden – auf Initiative von Edmund Koch (Mitglied des Förderkreises Kirche St. Johannes Enthauptung Ottau) – am 30.08.2024 die beiden Glocken der sanierungsbedürftigen Kirche St. Monika in Ingolstadt (diese wurde Anfang 2024 profaniert, um die Sanierung von St. Augustin zu finanzieren) von der Firma Glockengießerei Perner aus Passau in den Kirchturm der Kirche von Ottau eingebracht.
Vorsitzender Willi Schneider wies zum Schluss darauf hin, dass – obwohl der Böhmerwald weit von uns weg ist – wir in Eitensheim und die Region eng mit dem Böhmerwald verbunden sind. So haben viele Vertriebene aus dem Böhmerwald nach dem Zweiten Weltkrieg in Eitensheim ihre neue Heimat gefunden.