Zierliche Frauen und riesige Männer

Neue Sicht der Dinge: Gräberfeld in Eitensheim beschäftigt Archäologen

Die archäologischen Ausgrabungen im Eitensheimer Baugebiet „Steigäcker“ brachten einzigartige Funde ans Tageslicht, die eventuell ein Umdenken von den bisherigen Erkenntnissen der Chronologie der Kulturepochen zur Folge haben. Darüber wusste Dr. Jan Weinig vom Grabungsbüro ProArch bei einem Vortragsabend des Heimatvereins in Eitensheim zu berichten.

Um einen Überblick und damit eine bessere Einordnung der örtlichen Funde zu ermöglichen, zeigte Dr. Weinig den zahlreichen Gästen zuerst die archäologischen Funde in der näheren Region an Hand von vielen Dias auf. Seine Ausführungen erstreckten sich hierbei auf die Zeitenwende von der Stein- zur Metallzeit.

Bei einem kurzen geschichtlichen Abriss über die Evolution ging Weinig auf die Entwicklung von der „Münchshöfener Zeit“ (zum Ende der Jungsteinzeit, etwa 4. Jahrtausend v. Chr.) über die „Altheimer Zeit“ und die „Chamer Gruppe“ (Zeitgenossen vom Gletschermann „Ötzi“) zur „Schnurkeramikzeit“ (etwa 2600 bis 2400 v, Chr.) und die „Glockenbecherzeit“ (etwa 200 v. Chr.) und der folgenden „frühen Bronzezeit“ ein. Wegen der schnellen Abfolge von verschiedenen Kulturgruppen am Übergang von der „späten Jungsteinzeit“ zur „frühen Bronzezeit“ seien diese Zeitepochen aus archäologischer Sicht sehr interessant.

Das in Eitensheim entdeckte Gräberfeld, bestehend aus 21 Einzelgräbern mit den umfangreichen Grabbeigaben, war das Thema des zweiten Teiles des Diavortrages. Das Gräberfeld, das auf Grund seiner Größe bereits als Seltenheit einzustufen ist, kann der „Glockenbecherzeit“ zugeordnet werden. Zeugnis dafür sind die in typischer Hockerstellung in Seitenlage mit angewinkelten Beinen und waagrechter Oberschenkellage sowie parallel zum Oberkörper ausgerichteten Oberarme vorgefundenen Skelette, die in Nord-SüdRichtung orientiert sind. Während die „Glockenbecherfrauen“ mit Kopf nach Süden und Blick nach Osten bestattet wurden, ist die Lage der Männer mit dem Kopf nach Norden und Blick nach Westen anzutreffen. Die Skelettfunde belegen, dass die Frauen relativ klein und zierlich von Gestalt waren, während die Männer eine Größe von 1,80 Meter und mehr aufwiesen. Es wurden aber auch Gräber mit Männern von zwei Metern Körpergröße und mehrere Kindergräber geöffnet.

Pfeilspitzen aus Silex

Als Grabbeigaben wurden gekehlte Pfeilspitzen aus Silex, geschliffene Steinwerkzeuge, lorbeerblattförmige Silexdolche, Armschutzplatten und Keramiken wie Henkelgefäße, Schalen oder Töpfe sowie Knochenbeigaben wie Knochenperlen und Knochenamulette aus der Erde geborgen.

Zwei Grabbeigaben wurden von Weinig als Raritäten hervorgehoben. Dazu zählte er einen ungewöhnlich großen Silexdolch, der etwa doppelt so groß als die üblichen Dolchfunde ist. Ebenso bedeutend ist eine fein geschliffene, aus Marmor (aus dem nördlichen Alpenraum) gefertigte Armschutzplatte, die stark gewölbt sowie seitlich stark konkav und mit einer Gravur versehen ist. Die Armschutzplatte, die an der Innenseite des so genannten Waffenarmes getragen wurde und ein Schutz vor der zurückschnellenden Bogensehne sein sollte, wurde üblicherweise aus Sandstein (aus dem Regensburger Becken) gefertigt.

Als „archäologischer Höhepunkt“ wurde von Weinig ein so genanntes „Rätselgrab“, das außergewöhnlich viele Beigaben enthielt, bezeichnet. Hierin wurden drei Töpfe aus der „Glockenbecherzeit“ und ein 13 Zentimeter langer Silexdolch, der der „Schnurkeramikzeit“ zugeordnet werden kann, und ein Fragment einer frühbronzezeitlichen Silexklinge sowie sehr große Pfeilspitzen gefunden. Das Besondere an diesem Grab ist neben den reichhaltigen Grabbeigaben darin zu sehen, dass die Funde aus drei verschiedenen Kulturepochen stammen. Damit kann dieser Fund als einzigartig angesehen werden und lässt den Schluss zu, dass die Zeitepochen „Schnurkeramikzeit“, „Glockenbecherzeit“ und „Frühbronzezeit“ zeitlich viel näher beeinander liegen als bisher angenommen.

Nach Meinung des Referenten wäre damit ein Umdenken in der Chronologie der Kulturepochen notwendig. Die Funde liefern damit den ersten Nachweis für eine These, die bereits von einigen Wissenschaftlern aufgestellt, aber auf Grund fehlender Belege noch nicht bestätigt werden konnte.