„Steingewordene Seufzer und Tränen – Sühnekreuze, Feldkreuze, Prozessionskreuze, Marterl und Bildstöcke – Mahnmale unseres Glaubens in unserer Flur“

Vortrag über die Kleindenkmäler

Referent Andreas Hirsch wies zu Beginn seines öffentlichen Vortrags darauf hin, dass er nicht über die einzelnen Geschichten zur Entstehung der Eitensheimer Sühnekreuze, Feldkreuze, Prozessionskreuze, Marterl und Bildstöcke berichten werde, sondern den historischen und kulturellen Hintergrund und die Ikonographie (wissenschaftliche Bestimmung / Beschreibung) der oft unscheinbaren Kulturdenkmäler aufzeigen möchte.

Flurdenkmäler sind kleine religiöse Signaturen in einer Kulturlandschaft. Sie kennzeichnen eine Stelle in der Flur, an der sich nicht nur familiengeschichtliche Geschehnisse ereignet haben. Vielmehr markieren sie Orte traditioneller Lebensabläufe und begleiten die Menschen in ihrem ganzen Dasein. Diese Kleindenkmäler bekunden die fromme Gesinnung unserer Vorfahren und geben Zeugnis vom vorherrschenden christlichen Glauben in Bayern.

Was war der Ursprung des christlichen Glaubens?
Der irisch-schottische Mönch Bonifatius erhielt bei seiner 1. Reise nach Rom vom Papst Gregor II. im Jahre 719 n. Chr. den Auftrag die germanischen Stämme der Thüringer und Hessen zu missionieren. Damit kam erstmals das Kreuz als „äußeres Glaubenzeichen“ nach Germanien. 741 berief Bonifatius den angelsächsischen Missionar Willibald zum 1. Bischof von Eichstätt.

Bei der Missionierung stießen Bonifatius und Willibald bei der heidnischen Bevölkerung zunächst auf Ablehnung. Die germanischen Volksstämme glaubten in ihrer Naturverbundenheit an Götter, die sie an geheimnisvollen Kultstätten verehrten. Und sie glaubten an das Walten guter und böser Geister. Die Christianisierung mit der Verkündigung des dreifaltigen Gottes bereitete der heidnischen Bevölkerung Verständnisprobleme.

Ein „Meilenstein“ bei der Verbreitung des Glaubens und deren Zeichen war die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert. Andreas Hirsch präsentierte mehrere Bilder, die im 15. Jahrhundert entstanden sind und den ersten bildlichen Nachweis von Bildstöcken, Marterl und Steinkreuze darstellen.

Andreas Hirsch berichtete, dass es früher üblich war, dass man beim Vorbeigehen an einem Sühnestein inne hielt, den Hut gezogen und für die armen Seelen gebetet hat. Wer dagegen verstieß, wurde bestraft. Mit dem Gebet sollten die armen Seelen aus dem Fegefeuer erlöst werden.

Auf Grund eines Edikts des bayerischen Königs Max I in der Napoleonischen Zeit sollten die Feldkreuze, Marterl und Familienkapellen mit den zugehörigen Urkunden im Rahmen der Säkularisation beseitigt werden. Bei der Bevölkerung stieß dies jedoch auf erheblichen Widerstand. Der königliche Erlass wurde im Jahre 1815 wieder aufgehoben, da die Bevölkerung diesen ignoriert hatte.

Hirsch zeigte auf, dass die Marterl und die Bildstöcke oft als Wegweiser dienten. So wies der Dreifaltigkeits-Bildstock am Pfahlbuck, an einer damaligen Handelsstraße gelegen, den Reisenden den Weg. Das ehemalige Bonifatius-Marterl im Tauberfelder Grund zeigte den Wallfahrtsweg zur Frauenkirche nach Eichstätt auf.

Von einem Marterl spricht man, wenn das Martyrium Christi dargestellt ist.
Ein Bildstock diente früher oft zur Erbauung eines Delinquenten an einer Hinrichtungsstätte.

Hirsch gab bekannt, dass in Eitensheim noch zwei Sühnesteine aus den Jahren 1535 und 1540 existieren. Ein dritter Sühnestein wurde beim Bau der Straße von Eitensheim nach Hitzhofen zerstört.

Die Protokolle über die „außergerichtlichen Verhandlungen“ der einzelnen Sühnesteine liegen noch alle vor.
Im Mittelalter, wo die Blutrache noch anzutreffen war, konnten Straftaten noch außergerichtlich – im Privatvergleich – geregelt werden. So war für Beleidigung eine Geldstrafe, für Körperverletzung und für Ehebruch die Prügelstrafe vorgesehen.

Zum Sühnestein im Breitenweg:
Dort kam es am 25.07.1535 zwischen einem reichen Bauernsohn aus Lippertshofen und einem jugendlichen Eitensheimer zu einem heftigen Streit. Angeblich soll der Eitensheimer den Streit angefangen haben. Die Messerstecherei endete für den Eitensheimer Linhart Wiedmann tödlich.

Da kein Vorsatz vorlag, wurde die Angelegenheit im Privatvergleich geregelt. Bekannte des Täters Sebastian Irgang haben sich mit den Hinterbliebenen getroffen und folgende Vereinbarung getroffen:
Der Täter muss 85 Gulden an die Hinterbliebenen, 45 Gulden an den Bischof, 12 Gulden an den Notar, 2 Gulden an die Franziskaner und 2 Gulden an die armen Eitensheimer Bürger bezahlen.
Der Täter muss als Sühne für die Bluttat am Tatort einen Sühnestein (aus Stein mit Kreuzdarstellung) errichten lassen.

Der Täter muss als Pflicht zwei Wallfahrten unternehmen. Eine nach Aachen (Reisezeit ca. 6 bis 8 Monate) und eine nach Rom (Reisezeit ca. 1 Jahr). Anstatt des Täters durfte auch eine andere Person (sogen. Betfahrer) die Wallfahrten ausführen. Auf jeden Fall waren die Wallfahrten eine sehr teure Angelegenheit. An den Wallfahrtsstätten waren wertvolle Reliquien, die eine große Segenswirkung für das Opfer hatten. An den Wallfahrtsstätten musste eine Messe gelesen werden. In Rom konnte ein ewiger Ablass erhalten werden.

In der Pfarrkirche Eitensheim müssen ein Hochamt und zehn einfache Messen bestellt werden. Bei der Messe (Dauer: mind. 2 Stunden) hatte der Täter nur mit einem Lendenschurz bekleidet, in einer Hand ein Kreuz und in der anderen Hand eine Kerze haltend, persönlich anwesend zu sein.
Nach Ableistung aller Auflagen der getroffenen Vereinbarung war der Täter wieder „frei von Schuld“.

Weiter berichtete Andreas Hirsch von Feldkreuzen, Prozessionskreuzen, Hoffiguren (an Gebäudefassaden), Haussegen (religiöse Wandbilder an der Gebäudefassade) und kleine Kapellen.